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CHURCH
OF FEAR'S »3.
Internationaler Pfahlsitzwettbewerb«
Tag 2: Ein Karneval der Angst
Gast:
Boris Groys + ZDF-nachtstudio mit Volker Panzer
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"Diese
faulen Schweine sollen gefälligst Arbeiten gehen", riß
ein älterer Herr die Pfahlsitzer an der Frankfurter Hauptwache
um 6.14 Uhr aus dem Schlaf. An dem ausgerollten COF-Banner "Arbeitslose
sind faul!" stieß er sich überhaupt nicht. Harald
Rey, Pfahl Nr.1, hatte ohnehin kaum geschlafen. Nicht allein die
Kälte hatte ihn davon abgehalten, sondern die Punkgemeinde
vor Pfahl Nr. 4, Björn Saragosa. Sie hatten die Nacht durch
gefeiert und eine zwischenzeitlich durch die Polizei ausgesprochene
Platzsperre über sich ergehen lassen. Die Internetkirche der
CHURCH OF FEAR (www.churchoffear.net)
verzeichnete am ersten Tag ihrer Präsenz im Zentrum Frankfurts
über 15.000 Zugriffe.
Gegen 8.00 Uhr verließ Nina Krämer den Pfahl Nr.2 für
eine 15-minütige Körperwäsche. Zur gleichen Zeit
fuhren Übertragungswagen des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF)
an der Hauptwache vor, die Vorbereitungen zur Aufnahme der ZDF-Sendung
"nachtstudio" begannen. Der Ausstrahlungstermin wird im
ZDF-Videotext sowie über ZDF-online bekannt gegeben. Ein Frankfurter
Allgemeinmediziner prüfte den Gesundheitszustand der 7 Pfahlsitzer,
anschließend begrüßte sie COF-Mitglied
Schlingensief zu einer Morgenandacht.
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Auch
am zweiten Tag des 3. Internationalen Pfahlsitzwettbewerbs
war die Hauptwache Anzugspunkt für tausende von Besuchern
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Schlingensief im Gespräch mit Boris Groys (li.) und ZDF-Moderator
Volker Panzer |
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Schlingensief
und Boris Groys fanden sich zunächst zu einem Vieraugengespräch
im 2. Prototypen der ANGSTKIRCHE
ein, wo Schlingensief den Medienphilosophen zum Schirmherren der
CHURCH OF FEAR ernannte. Muezzingesang
erklang, als beide aus der Kirche traten. Die dazugehörige
Compact Disc mit sakralen Gesängen aus allen Weltreligionen
wurde bald darauf von Fundamentalisten entwendet, die sich zuvor
am öffentlichen Mikro lautstark über den "Mißbrauch
der Gesänge Allahs" beschwert hatten. Im Verlauf der ZDF-Aufzeichnung
bezeichnete Groys den DRITTEN INTERNATIONALEN
PFAHLSITZWETTBEWERB als einen "grandiosen Karneval
der Angst", den es zu feiern, gleichzeitig aber auch auszuhalten
gelte.
Beim schauspielfrankfurt ging am späten Nachmittag eine Bombendrohung
gegen den PFAHLSITZWETTBEWERB
ein. Nach einer Besprechung über alle Pfähle hinweg beschlossen
sich die Wettbewerber, diesem Terror der anderen Art zu trotzen
und auf den Pfählen sitzen zu bleiben. Ganz in diesem Sinne
gab die Polizei bald darauf Entwarnung und die COF-Mitglieder,
-Sympathisanten und Schaulustige kehrten auf die Hauptwache zurück.
Am vorderen Losstand begann Schlingensief eine Ansprache, der erneut
mehr als 1000 Zuhörer beiwohnten: "Die KIRCHE
DER ANGST ist aus der Verzweiflung heraus geboren. Wir
sind endlich aus dem Kunstzoo ausgebrochen und wollen uns ab sofort
in freier Wildbahn beweisen."Seinen Animationen, weiterhin
Lose zu kaufen, folgten auch am Dienstag wieder mehrere hundert
Menschen: "Kaufen Sie Lose, kaufen Sie Arbeits-Lose! Erklären
Sie das Wertlose zu Ihrem ganz persönlichen Kapital!"
Ins gleiche Horn stieß Soziologe und COF-Mitglied
Dr. Carl Hegemann, der sich in der vorangegangenen Woche bereits
dem SCHREITENDEN LEIB angeschlossen
hatte: "Solidarisieren Sie sich mit einer Randgruppe, der wir
eigentlich alle schon lange angehören - der Gruppe der loser
[engl.], der Arbeitsloser, der Obdachloser, der Hoffnungsloser..."
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Um
20.00 Uhr begann Thomas Stefan Herpich, Pfahlsitzer Nr.7, seinen Vortrag
zum Thema "Angst als kreative Kraft". Die Besuchermenge,
die sich zuvor entweder vor den Stufen der Hauptwache sammelte oder
das Pfahlgelände durchwanderte, verschob sich nach Seminarankündigung
vor den Pfahl des Trainers für Kreativität und gewaltfreie
Kommunikation. Trotz der für seine Verhältnisse ungewöhnlich
großen Zuhörerschaft konnte Herr Herpich seine Teilnahmemotivation
klar umreißen: "Angst ist ein Nettogewinn, den man einstreichen
muß. Mit dem Gewinn kann dann jeder für sich arbeiten.
Jeder muß seine Angst aber effektiv nutzen. Es hängt an
Euch allen! Vielen Dank." Nach Vortragsende verließ Thomas
Herpich um 21.13 Uhr seinen Pfahl, nachdem er sich zuvor einen Ersatzsitzer
für die Nacht organisiert hatte. Ebenso ließ sich Harald
Rey, Pfahl Nr.1, um 21.26 Uhr ablösen. Auf seinen Pfahl stieg
Walter Panthen, der als Pfahlsitzer am venezianischen Wettbewerb teilgenommen
hatte und seitdem mit dem Musiker aus Berlin befreundet ist. "Ich
brauche eine Nacht, um die Eindrücke der ersten beiden Tage zu
verarbeiten", diktierte Rey einem Redakteur der Süddeutschen
Zeitung in den Block. "Ich vermute, daß meine Kontrahenten
in absehbarer Zeit auch eine Auszeit nehmen werden. Dann ist mein
zeitlicher Rückstand wieder wett gemacht. Ich sitze weiter auf
Sieg", lächelte er zuversichtlich. |
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Die
zweite Nacht wurde kälter als die erste. Panthen, Reservesitzer
auf Pfahl Nr.1, vertrieb sich die schlaflose Nacht mit Ansprachen
an vereinzelte Passanten und verwickelte die übernachtenden Punks
vor Pfahl Nr.4 in ein mehrstündiges Streitgespräch, das
bis in die Morgenstunden andauerte. |
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