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CHURCH OF FEAR'S »3. Internationaler Pfahlsitzwettbewerb«
Tag 3: Pfahl-TV

Gast: John McGray, dt. Übersetzer von HARRY POTTER + Hartmut Mann, Riefenstahl-Biograf + Beatbabbler, Frankfurter HipHop-Band + "hessenkultur" (hr Fernsehen)

Mittwochmorgen, am Ende einer kalten Nacht. Nach Tagestemperaturen bis zu 27 Grad wurde über Nacht beinahe der Gefrierpunkt erreicht. Hatten gestern noch übereifrige Polizisten die ohnehin schon kaum vorhandene Nachtruhe gestört, so waren es nun nicht minder eifrige Mitarbeiter der Frankfurter Stadtreinigung, die in den frühen Morgenstunden für Unruhe sorgten. Mit Monty Pythons "Always look on the bright side of life" versuchte COF-Gemeindemitglied Schlingensief trotzdem, den 7 Pfahlsitzern Mut mit in den Tag zu geben.


Die COF-Küche an der Hauptwache versorgte alle "Schläfer" mit Kaffee und Brötchen. Auf Pfahl Nr. 3 hatte Hans-Jürgen Kuprasch beinahe die gesamte Nacht durchgelesen - Stephen Kings "Werwolf von Tarker Miles". "Das setzt meiner Angst die Krone auf", so der arbeitslose Malermeister, dessen Betrieb im vergangenen Jahr Konkurs anmelden mußte. Pünktlich zu Beginn der Pflichtsitzzeit löste Harald Rey seinen Reservisten ab und kehrte auf Pfahl Nr.1 zurück. Wenig später kontrollierte Oberstaatsanwalt a.D.Kuhlbrodt die Pfähle auf ihre fortgesetzte Sicherheit. Schlingensief stimmte zur neuerlichen Morgenandacht an und referierte über "Angst vor jedem neuem Morgen". Bei der morgenlichen Visite nahm Amtsarzt Dr. Lohmann insbesondere Susie Renée Reinhardt unter die buchstäbliche Lupe. Frau Reinhardt hatte bis dato als einzige noch nicht ein Mal ihren Pfahl mit der Nr.5 verlassen, so daß mehrere COF-Betreuer bereits Besorgnis zeigten. Björn Saragosa nutzte die Zeit nach dem Ärztecheck zu einem verspäteten Schläfchen. Seine obdachlose Gemeinde vor Pfahl Nr.4 hatte erst gegen 6.00 Uhr Ruhe gegeben: "Die Stunden Schlaf fehlen mir jetzt doch. Das geht schon an die Nieren hier." Nicht besser erging es später Nina Krämer, Pfahl Nr.2, die sich von einer älteren Dame als "faules Flittchen" beschimpfen lassen mußte. "Bei uns kann jeder glücklich und reich werden, wenn er nur will", schrie sie mehrmals zu der arbeits- und glaubenslosen Berlinerin hinauf. Ihr Motto aber stieß auch am Boden auf wenig Zustimmung und löste bereits zu früher Stunde heftige Diskussionen unter den Besuchern des DRITTEN INTERNATIONALEN PFAHLSITZWETTBEWERBES aus. Eine zweite Gruppe bemühte sich um Arbeits-Lose, die sich auch am Mittwoch großer Abnahme erfreuten. Ausgehend vom ersten Wettbewerbstag hatte sich das "Barometer der Angst"mittlerweile geändert. Die meisten Wetten wurden zwar immer noch auf Björn Saragosa, Pfahl Nr.4, abgeschlossen. Überraschenderweise aber hatten Susie Renée Reinhardt, Pfahl Nr.5, und Hans-Jürgen Kuprasch, Pfahl Nr.2, zum Frankfurter Favoriten aufgeschlossen. Von jedem verkauften Los gehen 33 Cent direkt auf den Kandidaten, auf den samt Los gewettet wird. Thomas Stefan Herpich kam ausgeruht aus seiner nächtlichen Pause zurück und betrachtete seinen Rückstand mit Gelassenheit: "Ich bin Motivationstrainer, da kann ich mir schlecht einreden, daß ich nicht als Gewinner aus dem Pfahlsitzen hervorgehe. Mancher Teilnehmer wird bis zum Samstag noch einknicken."




Um die Mittagszeit lud Schlingensief zu einem Gespräch mit dem deutschen Übersetzer der Harry Potter-Bände, dem deutschstämmigen Briten John McGray. Ob er nicht fürchte, daß die Abenteuer des Zauberlehrlings die Kinder vom harten Kindsein entfremde, wollte Schlingensief wissen. McGray nahm die sicherlich ungewöhnliche Frage durchaus ernst: "Phantasie lagert in der gleichen Vorratskammer wie die Angst. Phantasie erzieht zur Angst, so kann man dann mit seiner Angst vielseitiger umgehen und sie auch zielgerichtet einsetzen." Schlingensief: "Harry Potter ist schwer zu übersetzen, weil das Wort Zauber im Deutschen so platt ist. Hitler verzaubert uns, Dieter Bohlen und Schumi verzaubern uns. Da bleibt für wahren Zauber nicht mehr viel Kraft." Das Gespräch fand ein abruptes Ende durch eine 11-köpfige Abordnung des "Rhein-Main-Bündnis gegen Sozialabbau und Billiglöhne", dessen Wortführer zu einem "Amoklauf durch das Frankfurter Bankenviertel" aufrief. "Kein Rückfall in die Spaßgesellschaft!", mahnte Schlingensief an und forderte die zahlreich Versammelten auf, dem Nicht-Glauben die Nicht-Teilnahme folgen zu lassen: "Die Mission der CHURCH OF FEAR ist zu ernst, als daß wir mit den Zielen unserer Mitglieder hier Spielchen veranstalten."

Mit steigender Zuschauerzahl stieg auch die Zahl der Fragen nach den Feinheiten der Wettbewerbs- und Wettregeln. Beides finden Sie zusammenfassend nochmals im Anschluß an diesen Tagesbericht. Mit dem Riefenstahl-Biografen Hartmut Mann sprach Schlingensief am Nachmittag über "Ewiges Leben und ewigen Tod". "Ich glaube fest, daß es beides gibt", machte Mann den Menschen Mut, `ich bin mir nur nicht sicher in welcher Reihenfolge.´ Schlingensief würdigte die in der vergangenen Woche gestorbene Riefenstahl abschließend: "Mich fängt Leni Riefenstahl dort an zu interessieren, auch zu begeistern, wo die Opportunistin die Künstlerin trifft. Eine Kollision der Systeme, das war Leni Riefenstahl. Und wenn sich die Rauchschwaden persönlicher und kollektiver Verdrängung verzogen haben, dann kommt ein großes Stück Deutschland zum Vorschein."
Gegen 16.00 Uhr begann die bereits für den Vortag angekündigte Neugründung von COF-Gemeinden im 2. Prototypen der ANGSTKIRCHE. 10 Gemeinden wurden während einer konspirativen Feierstunde gegründet und anschließend von COF-Präsidentin Eva Zander in die Gemeindearbeit entlassen. Die folgenden Gemeindem haben sich am Mittwoch an der Frankfurter Hauptwache gegründet:
COF-Gemeinde Wiesbaden, COF-Gemeinde Frankfurt-Sachsenhausen, COF-Gemeinde Groß-Umstadt, COF-Gemeinde Limburg a.d.Lahn, COF-Gemeinde Zierenberg, COF-Gemeinde Kassel, COF-Gemeinde Arzberg/Oberfranken, COF-Gemeinde Ingolstadt, COF-Gemeinde Idstein, COF-Gemeinde Bad Breisig. In der von allen Gemeindevorsitzenden unterzeichneten Erklärung verpflichten sich diese... zur 14-tägigen Berichterstattung über die Gemeindearbeit unter holy@church-of-fear.net; ...zur Ausübung persönlichen Terrors binnen 6 Wochen nach Antragstellung; ...zur fotografischen sowie schriftlichen Dokumentation dieses und aller weiteren Anschläge unter gleicher E-mail-Adresse.
Am frühen Abend lieferte die Frankfurter HipHop-Band "Beatbabbler"einen Gig der Extraklasse. Die sieben Musiker hatten sich samt Instrumentarium zwischen den sieben Pfählen eingerichtet und legten vor mehr als 3000 Augen- und Ohrenzeugen los. Im Konzertverlauf sprach die Polizei einen Platzweis gegen einen NPD-Sympathisanten aus, der über ein Megafon die Internierung von Arbeitslosen gefordert hatte. Um 20.15 begann die TV-Redaktion "Hessen Kultur" mit der Aufzeichnung ihrer Sendung von der Hauptwache. Zur Begrüßung ihrer Zuschauer bestieg Moderatorin Cécile Schortmann eine Leiter und begab sich auf Augenhöhe mit Pfahlsitzer Nr.1: "Im Namen meiner Redaktion danke ich der CHURCH OF FEAR für ihre Gastfreundschaft und möchte sagen: Endlich ist die Kunst aus dem Kunstraum gegangen, und endlich geht das Fernsehen ihr nach."








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Die Pfahlsitzer erlebten den ereignisreichen Tag aus besonderem Blickwinkel. "Man sitzt sicher hier oben und demonstriert, wie unsicher man ist", bestätigt Nina Krämer auf Pfahl Nr.2 den Eindruck vieler Wetter, daß sie bis zum Samstag durchhalten wird. Klaus Thönes auf Pfahl Nr.6 klagte am Abend über Rückenschmerzen. Als aber Christoph Schlingensief um 21.00 Uhr die obligatorische Frage stellte, ob die Wettbewerber die Nachtsitzung antreten wollten, da nickte auch Thönes mit dem Kopf. Für den Donnerstag kündigte er einen Aushang an seinem Pfahl an. Als sich die Hauptwache zur Nacht leerte, da schlich die Kälte wieder um die Pfähle. Alle sieben Säulenheiligen versorgten sich beim Schiedsgericht mit zusätzlichen Decken und versuchten, auf den Pfählen Schlaf zu finden. "Was müssen die da oben frieren, wenn wir hier unten schon gegen die Kälte ankämpfen", drückte der Sicherheitsbedienstete Anton aus. "Soziale Kälte hat keine Höhenangst", entgegenete ihm Björn von Pfahl Nr.4. "Der muß es wissen", flüsterte Anton und rieb sich die unterkühlten Hände.