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»DER SCHREITENDE LEIB«
Erlösung ohne Untergang

Bericht von der Suche nach dem nächsten Peterwagen

Der Wirtin des »Leyscher Hofes« zu Leutesdorf hat Tränen in den Augen, als sie COF-Mitglied Christoph Schlingensief nach durchwachter Nacht ziehen lassen muß. Sie hat nicht nur ein anderes Verständnis von Angst gewonnen, sondern am Abend zuvor auch das Geschäft ihres Lebens gemacht. Das gibts nur einmal... Als die ausziehende Pilgerschar dann noch den Elvisklassiker »Muß i´ denn zum Städele hinaus« intoniert, läßt sie ihren Gefühlen freien Lauf. Optimistisch bemessen soll es eine romantische Wanderung an die deutsche Kante werden – das Deutsche Eck, Koblenz. Es wird fast Alles ganz anders kommen, denn vor das Etappenziel haben die Götter Rheinland-Pfalz gesetzt. Auf-grund zahlreicher Nachfragen von Passanten schon auf den ersten Tagesmetern entschließt sich der SCHREITENDE LEIB zu einer spon-tanen Kundgebund in der Fußgängerzone des nahe gelegenen Städtchens Neuwied. Dort ist der Name einmal mehr nicht Programm, denn anstatt offen für eben Neues zu sein herrscht in den beschirmten Köpfen der Ordnungshüter eher finsteres Mittelalter. Als Christoph Schlingensief samt Megafon auf eine interessierte Gruppe von Theologiestudenten zugeht, wittert ein Augen-zeuge dieser an sich schon spektakulären Bege-benheit einen religiös motivierten Übergriff und verständigt die Polizei.



 



»Viele Studienabbrecher verdienen ihr erstes eigenes Geld als Schläfer«, erläutert Schlingensief anhand einer aktuellen Statistik des Emnid-Instituts und verteilt Hamburger Kontaktadressen. Nachfragen zur Bedeutung der Angst in sakralen Kontexten und den steuerlichen Vorteilen des Titels »Säulenheiliger der Angst« beantwortet er nach bestem Wissen. Als man nach dieser ge-lungenen Improvisation von Volksaufklärung das Lied »Oh, happy day« zu singen beginnt, durch-kreuzen zwei Peterwagen sowohl Darbietung als auch Fußgängerzone. Verschreckte Kauflustige und jüngere Mitpilger, von der Staatsgewalt bislang unbehelligt, drängen sich in Hauseingänge und eine auf Süßwasserfische spezialisierte Zoohandlung. »Das war wie ein Terrorangriff«, diktiert ein Pizzabäcker dem anwesenden Re-dakteur der Rheinischen Zeitung in den Block – Hoch auf dem grünen Wagen... Wenige Minuten später haben fünf Streifenpolizisten Film- und Fotmaterial konfisziert. Drei Prozessionsteilnehmer werden aufgefordert, sich an die Wand zu stellen. »Was passiert denn jetzt?«, fragt Pfahlsitzsieger Ralf Baumgarten, einer der drei Betroffenen. Der Schoß scheint fruchtbar noch... Schließlich er-klärt der Einsatzleiter, daß eine Leibesvisitation inszeniert werde, da die Separierten nicht glaub-haft versichern könnten, daß sie mit anderen im Namen der CHURCH of FEAR begangenen An-schlägen nichts zu tun hatten. Hier hat der Staat noch alle in seiner Gewalt.
Schlingensief und Anhang telefonieren sich derweil die Finger wund, informieren die Bundes-zentrale für politische Bildung genauso wie das Kulturamt der Stadt und das Büro des Minister-präsidenten von Rheinland-Pfalz, Kurt Beck. 45 (!) Minuten später pfeift der Wachdienst sein außer Rand und Band geratenes Rudel Bluthunde zurück, entschuldigt sich kleinlaut und verläßt die selbst gezimmerte Provinzbühne unter den Buhrufen der schutzbefohlenen Bürgerschaft. Applaus hingegen für den SCHREITENDEN LEIB, sein besonnenes Auftreten im Speziellen und seine Botschaft im Allgemeinen. »Verlassen Sie sofort diese Stadt! Schließen Sie sich uns an!« appelliert Schlingensief an die Bevölkerung. »In Neuwied ist kein Parsifal zu finden.« Beim Auszug aus der Stadt, die nunmehr ganz weit oben auf der COF-Aktionliste steht, berichtet der Lokalreporter von weiteren Ungereimtheiten rund um die Dorfpolizei. Von Gewalt gegen Ausländern und Frauenhandel sei vor Ort die Rede, ein Dienststellenleiter bereits in den vor-zeitigen Ruhestand geschickt. Vom COF-Zuspruch der Deutschen offenbar gedemütigt, verfolgt eine Polizeieskorte die fortlaufende Prozession, vorbei an der »Sonnenresidenz Harmonie« in Richtung Atomkraftwerk Mühlheim-Kärlich. Aus ihrem Auto heraus Drohgebärden, die Pilger Winfried (52) »bislang nur aus dritt-klassigen Vorabendserien« kennt. »Nicht provo-zieren lassen«, mahnt Organisator Christoph, und Schlingensief ergänzt: »All dies ist der beste Beweis dafür, wie sehr es unserer Kirche bedarf. Halleluja!«


Auf dem Parkplatz des Atommeilers zunächst kalte, sehr kalte Atmosphäre. Das Pressebüro läßt den Rolladen herunter, die Verbindung zur Außen-welt wird gekappt. Ein Mitarbeiter, der den tat-sächlichen Auftrag der COF im Internet verfolgt hat, kommt freundlich auf die Wandernden zu und erklärt ohne zu zögern, daß das seitens Schlin-gensief um Hilfe gebetene Ministerialbüro seiner-seits die sofortige Verriegelung des AKWs be-fohlen hat. Die dunklen Geheimnisse eines Meilers, der nur 13 Monate in Betrieb war, sollten hinter Meter dickem Beton verbleiben. Benannter Ange-stellter, der aus Angst vor Repressalien nicht namentlich erwähnt wird, schildert das Kraftwerk als riesige Schimäre – Disneyland am Rhein. Es ist alles nur Attrappe, denn Mühlheim-Kärlich wird von behördlicher Seite her gehandhabt wie ein funktionierender Meiler, samt 200-köpfiger Beleg-schaft. Gespenstische Vorstellung... Auf Nach-frage aus COF-Kreisen, ob ein Anschlag nach Vorbild des 11. September hier möglich sei, sagt der Kraftwerkler die Übermittlung eines neuesten Mängelberichts zu, der eklatante Sicherheits-lücken offenbare. Eine eigene Messung der CHURCH of FEAR ergibt definitiv erhöhte Strah-lenwerte. »Vielleicht«, so Schlingensief, »ist damit auch das Geheimnis des völlig verstrahlten Verhaltens der Polizei Neuwied gelüftet«. Wir werden auch weiterhin über die Umstände am Meiler berichten. Zum Abschluß des Aufenthaltes wird das AKW mit Muezinmusik bespielt. COF-Pilger und AKW-Mitarbeiter verschwören sich letztlich derart, daß zum Abschied Souvenirs ausgetauscht werden: COF-T-Shirt gegen AKW-Feuerzeuge.
Innerhalb eines Telefonats mit den Prozessions-organisatoren bittet der rheinland-pfälzische Kultusminister Zöllner um Verzeihung für die Behinderung der angemeldeten Veranstaltung einer Glaubensgemeinschaft und gibt Grünes Licht für die Fortsetzung der Wanderung. Doch wie viel ein Politikerwort heute noch zählt, er-fahren die Pilger prompt, als die Polizei sich auch anschließend an die Fersen der COF-Wander-stiefel heftet. Nach einem meditativen Zwisch-enhalt im Kloster Mariä kehren mittlerweile 71 Personen im beschaulichen Städtchen Urmitz auf den Rheinpfad zurück Richtung Koblenz. Noch ein Klärwerk für Deutschland..., noch eine Stunde Fußmarsch bis zum Kaiser am Deutschen Eck. Rückbesinnung auf anstehenden Terror und die ursprüngliche Mission: Parsifal suchen, Komplizen finden. Der Peterwagen taucht nur noch sporadisch auf. Staatlich verordneter Psychoterror – sie werden es bitter bereuen.

 

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Bald darauf ein erster unverstellter Blick aufs Deutsche Eck, eine kurze Rheinüberfahrt mit der »Vaya con dios«, 71 Pilger für 8 Euro. Die COF bezahlt jeden Preis ihrer Tour direkt und in bar. Nach einem Leiden lindernden Picknick aus der COF-Küche dann die direkte Konfrontation mit der deutschen Monarchie, viel gegenwärtiger als man meinen sollte. Am Fuße Wilhelms I. stimmt der wandernde COF-Chor eine Schlüsselstelle des Parsifals, 1. Akt, an. »Zum Raum wird hier die Zeit.« Ein letztes Mal bäumt sich der alkoholab-hängige Monarch auf und kontert: »Nimmer wird mein Reich zerstöret, wenn Ihr einig seid und treu.« Fazit: Geistige Armut hat ihre Wiege nicht erst in der Berliner Republik. Ein Kinderspiel des-halb auch die Okkupation des Denkmals. Die Transparente sind entrollt. Die deutsche Ver-gangenheit ist lang noch nicht vorbei. Über die Karmeliterstraße geht es zum Nachtlager, der Burg Ehrenbreitstein. Um Punkt o.oo Uhr der letzte Tagesordnungspunkt: Attentat auf die Geisterstunde! CHURCH OF FEAR – Die Geist-erjäger sind ja.